Wenn du keine Kinder hast, kannst du nicht mitfühlen!
Richtig. Kann ich nicht. Aber warum soll ich deshalb keine Meinung zu dem Thema haben? Warum sollte ich zu Themen, die mich interessieren, aber nicht praktisch betreffen, meine Schnute halten? Wir alle diskutieren doch auch über Politik, auch wenn wir keine Politiker sind, Eltern äußern ihre Meinung wie Lehrer zu lehren haben und ich hab nun mal auch eine Meinung zur Kindererziehung.
Vor ein paar Tagen durfte ich mal wieder hören und lesen, dass ich mich gefälligst nicht zur hysterischen Debatte um Kinderimpfungen äußern solle, da ich ja nun mal keine Kinder habe und mich deshalb auch nicht in das Thema „reinfühlen“ könne.
- Falsch.
- Die Impf-Diskussion wird nur noch auf emotionaler Ebene geführt, Fakten und wissenschaftliche Erkenntnisse bleiben auf der Strecke. Hilft es nicht gerade dann, wenn jemand außenstehender unvorbelastet ein paar Argumente in den Gefühlsbrei wirft?
Diskussion bedeutet Meinungsaustausch, nicht Vorschriften machen, nicht recht haben müssen. Wie jeder Einzelne in der Impffrage entscheidet, bleibt ihm immer noch selbst überlassen. Diese Abwertung von einem Diskussionspartner auf Augenhöhe zu einem unqualifizierten Kinderlosen hat mir wiederholt gezeigt, dass unsere Gesellschaft mit Ausgrenzung von gewollt oder ungewollt Kinderlosen zu kämpfen hat. Schiefe Blicke auf Frauen über 40 Jahre, die keine Kinder haben und die Absprache einer gewissen Menschlichkeit bei kinderlosen Frauen sind ein Teil der Diskriminierung.
Mir, obwohl männlich und erst 31 Jahre jung, begegnet sie in zwei unterschiedlichen Formen:
Die „Du hast keine Kinder, also keine Erfahrung“-Diskriminierung
Wenn mal ein Gespräch auf Kinder, Erziehung, KiTa(-Streik) und dem Vergleich von Wegwerfwindeln und Stoffwindeln fällt, wird mir die Kompetenz zur Meinungsäußerung abgesprochen. Ein merkwürdiger Umstand, da ich mich viel mit Kindern beschäftige – in Theorie und Praxis. Ich kann genau hinschauen und habe schon so manches Kind ins Bett gebracht, gefüttert, gewickelt, getröstet und verarztet. Ich habe also nicht den Eindruck, dass ich keine hinreichende Erfahrung besitze. Keine Frage – es besteht immer noch ein großer Unterschied zu Eltern, die ihr Kind tagtäglich zuhause haben. Hinzu kommt aber auch, dass in meinen Beispielen bereits Themen aufgeführt sind, zu denen noch andere Erfahrungsfelder hilfreich sind, als „nur“ Eltern zu sein. Mich trifft es jedenfalls direkt ins Herz, wenn ich in einer Gesprächsrunde aufgrund meiner Kinderlosigkeit ausgegrenzt werde.
Die „Du hast keine Kinder, also bist du herzlos“-Diskriminierung
Ich begegne oftmals dem Vorwurf, sehr subtil und sicher nicht bewusst ausgeübt, ich sei egoistisch, kaltherzig und jobverliebt. „Wenn Helge keine Kinder hat, dann will er wohl keine. Hach, wie herzlos muss man sein, wenn man keine Kinder mag. Der will doch eh nur Karriere machen und das gesamte Geld für sich alleine haben.“, so fühlen sich die Subtexte an. Oftmals setzt sich mein Gegenüber nicht auf den ersten Blick mit den Hintergründen auseinander, weshalb ich keine Kinder habe. Vermutlich wäre das auch zu viel verlangt. Aber ich wünsche mir dann, dass nicht einfach in die erstbeste Schublade voller Vorurteilen gegriffen wird. Jeder hat seine ganz persönlichen Gründe. Mir ist es nicht gegeben eigene Kinder zu haben und ich kenne Männer, die können sich nicht vorstellen, Kinder in DIESE Welt zu setzen. Sie bringen es einfach nicht über sich. Dennoch sind wir nicht kinderscheu oder kaltherzig, sondern – im Gegenteil – sehr sensible und liebevolle Kerle.
Versteht mich nicht falsch, ich möchte hier den Graben zwischen den Fronten nicht vergrößern, sondern zu etwas Verständnis anregen. Mir ist klar, dass Eltern ihren Urlaub während der Sommerferien nehmen müssen und auch krankheitsbedingte Ausfälle, weil ein Kind Fieber bekommen hat, stellen für mich keine Problematik dar. Wenn ich anders lautende Kommentare von Kinderlosen lese, wird mir immer wieder bewusst, dass es leider viele fehlgeleitete Menschen in dieser Welt gibt.
Also meine Lieben, bitte legt die Waffen nieder und macht euch dieser Formen der Diskriminierung bewusst, damit ihr mit klarem Kopf vorurteilsbehaftete Verhaltensmuster abstellen könnt.
5 Kommentare
Ich denke, dass wenn eine Frau kinderlos ist, kann sie viel mehr fühlen, als die Frauen, die Kinder schon haben. Solche Frauen sind nicht voll und ihre Gefühle sind viel tiefer.
Ich war auch in solche Situation, wenn alle meine Bekannten schon Kinder hatten und ich wusste, dass ich Kinder nicht bekommen kann. Ich weinte jeden Tag und konnte nicht verstehen, warum eine alles haben und ander können nichts bekommen. Und auch konnte ich diese Kinder viel besser verstehen, als ihre Eltern.
Ja, jetzt bin ich auch eine Mutter. Und ich denke, dass die Frauen, die bis heute keine Kinder haben, können alles sehr gut und tief fühlen.
Genau die letzte von Dir angesprochene Fraktion ist es, die zu dieser Diskriminierung führt. Menschen, die mit Kindern nichts anfangen können und jeglichen Sinn von Kindern abstreiten. Genau diese sind es, denen auch ich die Fähigkeit abspreche, nachfühlen zu können, was ein Kind tatsächlich bedeutet. Die nicht nachfühlen können, warum ich bei diesem kleinen Kommentar fünf Mal unterbrechen und einen quengelnden Fluchtzwerg daran hindern muss, von meinem Bauch abzurutschen – und trotzdem nicht sauer auf ihn bin. Auch nicht, dass er heute früh um halb fünf meine Nacht beendet hat und dafür mit einer Milchflasche belohnt wurde. Es gibt einfach Dinge, die Kinderlose nie richtig verstehen und nachfühlen werden – allerdings würde ich Dich nicht in diese Gruppe einsortieren, denn „kinderlos“ ist eigentlich die falsche Bezeichnung. „Kinderahnungslos“ wäre treffender – und dazu gehörst Du offensichtlich nicht.
Danke für deinen Kommentar, Sebastian!
Auch wenn ich mir gemäßigtere Tonfälle zwischen den unterschiedlichen Fraktionen wünsche, kann ich mir denken, wie du dich in deiner Situation fühlst.
Bleib tapfer und viel Freude an deinem Fluchtzwerg.
Helge
Ich bin kinderlos glücklich und stolz darauf, keine in die Welt gesetzt zu haben. […]
Liebe Elli,
ich habe größten Teil deines Kommentars gelöscht, da du keine Rücksicht auf die Gefühle derjenigen genommen hast, die sich auf diesem Blog bewegen.