Lila Minions

18.02.2015
Lila Minion

Nach der Insemination ist vor den Nebenwirkungen.

Rieke hatte großen Respekt vor eventuellen, negativen Nebenwirkungen der Hormonpräparate und war sehr erleichtert, als diese anfangs ausblieben. Im Gegenteil, ihre Haut wurde besser, die Verspannungen verflogen, sie fühlte sich insgesamt sehr zufrieden. Das war nach der auslösenden Spritze.

Drei Tage später sollte sie sich erneut eine Ampulle Predalon spritzen, um den Gelbkörper in seiner Produktion von Progesteron noch mal anzufeuern. Danach wurden aus den lieben, friedlichen Hormonen garstige Biester. Riekes Stimmung schwankte zwischen hoffungsvoll und „das klappt so wieso nicht“ im – zum Glück nur – 24 Std.-Takt hin und her. Sie bekam Wassereinlagerungen in den Beinen, Schwindel, Übelkeit, etc.

Ja, richtig, alles hätten auch Schwangerschaftsanzeichen sein können. Alle oder nichts. Rieke erklärte beim Sonntagskuchen ihrer Freundin (unser Freundes- und Familienkreis ist meist auf dem aktuellen Stand), dass das Predalon aus ihren Hormonen lila Minions macht, die fies alles in ihrem Körper auf den Kopf stellen und sie nicht mehr weiß, was echt ist. Wir lachten über die Vorstellung, dass Rieke bald lila, einäugig und mit wilder Mähne die Stadt unsicher machen würde.

Wir sind beide immer sehr bemüht unseren unerfüllten Kinderwunsch nicht zu anstrengend und deprimierend für unser Umfeld darzustellen, sondern aus ihm etwas selbstverständliches zu machen, etwas, was vielleicht auch ein Abenteuer sein kann.

Die Welt dreht sich

Dabei ist sicher allen klar, dass die Medaille zwei Seiten hat. Immer mal wieder fällt uns auf, dass wir unserer Zeit voraus sind, schon begonnen haben mit dem Kinderwunsch, den Traum von einer eigenen Familie abzuschließen, obwohl wir doch noch mittendrin stecken. Das führt ebenso oft dazu, dass wir uns in unseren Gefühlen verheddern, traurig sind, obwohl noch nichts entschieden ist, oder (das bevorzuge ich) bereits tapfer neue Pfade gehen und den unerfüllten Kinderwunsch beiseite wischen. Da nehmen wir uns beide nichts, wobei Rieke wohl dann doch häufiger noch das Hier und Jetzt mitnimmt. Ich verliere das schon schneller mal aus den Augen. Ich will nach vorne schauen, mein Seien nicht von diesem einen Lebensentwurf bestimmen lassen, mich glücklich fühlen.

Daher habe ich mich nebenberuflich an ein 3-jähriges Studium gewagt. Das war ganz schlau von meiner Psyche, so hatte ich gar keine Zeit mich mit „hat’s vielleicht geklappt und was wenn nicht“-Gefühlen zu beschäftigen. Blöd nur, dass Rieke kein Studium angefangen hat und sich sehr wohl mit solchen Gedanken beschäftigte.

Hammermäßig

Geklappt hat es nicht. Rieke bekam schon in der Nacht vor dem Bluttest ihre Blutungen und der Test bestätigte nur noch, was wir eh schon wussten. Für mich war es, als wäre nichts gewesen. Ich hatte mir von der Behandlungsform (IUI) eh nicht viel versprochen. Das Leben geht weiter.

Erst einige Tage nach dem Ergebnis schlug Rieke mir „Hau-den-Lukas“-mäßig (sie war dabei zwar nicht lila, aber ein wenig wild war sie schon dabei) um die Ohren, dass das alles doch irgendwie krass und anstrengend ist und man das doch auch nicht einfach ignorieren kann, was wir da grade mitgemacht haben. Schließlich ist da grade eine unserer 6 Seifenblasen (wir haben 3 IUI- und 3 ICSI-Versuche lt. Behandlungsplan) geplatzt. Nach dem Motto „Besser spät, als nie“, habe ich dann gecheckt, dass mein gerade begonnenes Studium eine Flucht vor der drohenden Erfolglosigkeit unserer Behandlung war. Nun will ich natürlich nicht auf das Studium oder andere zuversichtlich machende Tätigkeiten verzichten, aber mir ist klar geworden, dass der Hammer nur noch heftiger zuschlagen wird, wenn ich das Jetzt nicht auch bewusst durchlebe. Nicht zum ersten Mal weise ich hier, mit dem Zaunpfahl winkend daraufhin, dass ein unerfüllter Kinderwunsch an eine Beziehung deutliche Anforderungen stellt.

Ziemlich klugscheißerisch, aber, je länger es dauert, umso mehr verstehen wir, warum ein unerfüllter Kinderwunsch nicht selten zu Trennungen führt. Waren wir anfangs noch der Meinung, andere aber wir doch nicht, wird deutlich, dass jeder unterschiedlich mit dem gemeinsamen Schicksal umgeht, es verschieden schnell und gut verkraftet und nicht immer die Kraft hat, auch für den Partner tröstende Worte zu finden. *Achtung, jetzt wird es kitschig* Ein steiler Berg, bei dessen Erklimmen sich beide gegenseitig gut sichern müssen.

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