Zu viel für Helge

18.01.2021

Den eigenen Kinderwunsch loslassen, ein zufriedenes Leben zu zweit, die Sanierung unseres Hauses – so ungefähr wollten wir die letzten Jahren angehen. Nun, was soll ich sagen… Es ist irgendwie anders gekommen.

Zunächst ließen sich die Pläne ganz gut an, wir beendeten die Behandlung in der Kinderwunschklinik und versuchten uns auf den Gedanken einzulassen, ohne eigene Kinder zu leben. Jedes Wochenende ausschlafen, solange arbeiten, wie es gerade passt, die Freizeit ohne Rücksicht auf kindergerechte Anforderungen gestalten und nicht daran denken, dass es später keine Kinder geben wird, denen vielleicht Haus und Hof vererbt werden kann. Sich auf die Vorzüge zu konzentrieren war für uns hilfreich und ein wenig heilend.

Ein Funke Hoffnung

Das wir uns mit der Situation gut fühlten, lag wohl auch an der offenen Hintertür. Wir haben auf Verhütung verzichtet. Alle Schwangerschaften haben sich bisher ohne medizinische Unterstützung eingestellt. Und was schon fünfmal geklappt hat, könnte doch auch ein sechstes mal klappen. Kinderwunsch-Wundergeschichten gibt es unendlich viele, vielleicht würde uns auch so ein Wunder ereilen. Denn schwanger wurden wir schon mehrfach, allerdings immer ohne Wunder…

Im Zuge unserer bisher härtesten Sanierungsmaßnahme zeigt der Schwangerschaftstest plötzlich das Ergebnis, welches wir uns immer wieder insgeheim wünschen – zwei wundervolle Balken, also positiv. Während ich mit beiden Beinen im frischen Beton unserer neuen Bodenplatte stehe, kann ich es nicht fassen. Der Clash aus den beiden Gefühlslagen lassen sich nur schwer in einem Körper ertragen. Einerseits Anspannung, Stress und Abgeschlagenheit vom Bau und andererseits die ungläubige, unbändige Freude dank der Schwangerschaft.

Rieke vereinbart einen ersten Termin bei ihrer Gynäkologin. Die Ärztin hat uns stets darauf hingewiesen, dass die Gefahr einer Eileiterschwangerschaft erhöht ist. Daher ist eine frühe Kontrolle der Blutwerte sinnvoll. Nur wird dieser Termin nicht das sein wozu er gedacht war.

Die dramatische Wendung

Schon drei Tage später hat Rieke am Abend plötzlich heftige Schmerzen in der rechten Leiste, ca. 30 min. Sie hat öfter mal Bauchschmerzen, nicht ganz ungewöhnlich, doch auf dem anschließenden Weg ins Bett kommen helle Blutungen dazu. Meine innere, emotionale Zerrissenheit wurde um eine weitere Facette erweitert. Es ist doch wieder wie immer, es ist einfach frustrierend.

Am nächsten morgen sind die Blutungen vorbei, aber die Schmerzen in der Leiste nicht ganz abgeklungen. Während Rieke vorsichtshalber ins Krankenhaus fährt, es ist Wochenende, stehe ich wieder mit zentimeterdicker Staubschicht im Bart auf der Baustelle. Die Untersuchung ergibt nichts konkretes. Rieke bittet aber um eine Blutentnahme, sodass ihre Gynäkologin am Montag schon einen Vergleichswert ermitteln kann.

Am Ende wird alles gut?

Weitere Blutungen bleiben aus und die Schmerzen klingen ab. Ein bisschen Hoffnung keimt auf. Als die Gynäkologin einen angemessen hcG-Wert verkündet, kommt sogar richtig Freude auf. Ein ANGEMESSENER hcG-Wert… Das haben wir noch nie gehabt. Nur, eigentlich müsste bei dem Wert schon etwas im Ultraschall zu sehen sein. Die Gynäkologin ist unruhig, möchte scheinbar keine voreiligen Schlüsse ziehen und appelliert daran, sofort ins Krankenhaus zu fahren, wenn die Schmerzen in der Leiste wieder beginnen. Zur Feier der abgeschlossenen Baumaßnahme und der Schwangerschaft gönnen wir uns einen großen Becher Eis. Doch Rieke scheint an diesem Schlemmerbecher keine Freude zu haben. Sie klagt über Schmerzen im Unterleib, die immer stärker werden. Am Ende finden wir uns noch am gleichen Tag im Krankenhaus wieder, wo besorgte Ärzt:innen und Krankenschwestern eine sofortige Aufnahme verfügen. Am Ende muss Rieke fünf Tage im Krankenhaus bleiben und bekommt per OP den Embryo aus dem Eileiter entfernt.

Was soll das alles bedeuten

Schon wieder so ein Moment, der uns mit seiner Vielschichtigkeit lange beschäftigt. Die Dramatik in der Klinik, die Sorge vor der OP und dem eventuellen Verlust von Riekes Eileiter oder Schlimmeres, aber auch die Nachricht des Arztes „es war deutlich eine embryonale Anlage zu erkennen“. Der hcG-Wert, eine embryonale Anlage… Alles, was wir bisher nie haben durften, nur nicht in der Gebärmutter, sondern im Eileiter.

Was soll das nun bedeuten? Wir haben eine Chance auf eigene Kinder, müssen dafür aber Riekes Leben gefährden? Eine Schwangerschaft ist möglich und mit Hilfe einer Kinderwunsch-Klinik kann sie auch an der richtigen Stelle zum einem kleinen, schreienden Baby werden? Aber, Rieke ist noch nie in der Klinik schwanger geworden – weder mit IUIs noch mit ICSIs.

Mit diesen Gedanken sitzen wir plötzlich wieder ganz vorne in der Achterbahn des Kinderwunsches. Also, Einsteigen bitte. Ab geht die Fahrt.

7 Kommentare

  • Antwort Simone Am 20.01.2021 um 20:59 Uhr

    Hallo, mein tiefes Mitgefühl für Euch beide. Auf dem Weg zu unserem Wunschkind haben wir auch so einige Rückschläge hinnehmen müssen über eine sehr lange Zeit. Ich weiß ja nicht, welche konkreten Methoden bei Euch zum Einsatz kamen, aber bei einigen Frauen verhindern manchmal die Hormongaben bei der Kinderwunschbehandlung die erfolgreiche Implantation in der Gebärmutter. In manchen Fällen hilft dann künstliche Befruchtung im Naturzyklus. Wir hatten also nur mit Ovitrelle den Eisprung ausgelöst, die Punktion ohne Narkose ging auch gut auszuhalten, Allerdings hatte sich auch zwei mal die Eizelle schon vor dem Punktionstermin auf den Weg gemacht und sie traf dabei einmal zufällig auf Spermien und jetzt ist dieses Zufallprodukt 2,5 Jahre alt. Ich würde es dennoch wieder genauso machen. Auch wenn es ebenso Fehlschläge dabei gab, wie z.B. keine Eizelle oder auch mal Eizelle aber kein Spermium oder eine unbefruchtete Eizelle oder keine Einnistung, unser Durchhaltevermögen und Optimismus wurde letztlich belohnt und wie gesagt, alles ohne anstrengendes Stimulationsprotokoll, ohne große OP, ohne schlimme Nachwirkungen oder Nebenwirkungen der Behandlung, dank Klinik die darauf spezialisiert war. Wir waren auch Teil einer Studie, da ging es um das optimale Zeitfenster für diese Art der Behandlung anhand Labordiagnostik und Ultraschall.
    Wie auch immer Euer Plan sein wird, alles Gute für Euch!

    • Antwort Helge Am 20.01.2021 um 22:08 Uhr

      Hi Simone!
      Danke für deinen Tipp. Wir haben in den letzten 10 Jahre schon jede Menge Varianten versucht, aber deine Methode haben wir noch nicht probiert. Das heißt, Du stimulierst überhaupt nicht? Wenn ihr mit diesem unerwartet positiv verlaufenen Fehlversuch ein Baby bekommen habt, ist es bei euch doch eigentlich auf ganz natürliche Weise möglich, oder verstehe ich es falsch?
      Ich glaube, so ganz habe ich es nicht verstanden (kein Spermium?), aber in jedem Fall spannend. Danke und dir auch alles Gute!

      • Antwort Simone Am 07.02.2021 um 23:15 Uhr

        Hallo Helge,
        Zu den Ursachen bei uns: Spermiogramme waren sehr schlecht und ich selbst habe eine chronische Schilddrüsenerkrankung, Vitamin D und Ferritinmangel, was aber alles von einer Fachärztin für Endokrinologie bestens therapiert wurde, weil das wichtige Voraussetzungen für eine Schwangerschaft waren, auch B12 war grenzwertig bei mir, deshalb nahm ich nicht nur Folsäure. Es gab ansonsten nichts auffälliges. Wir waren vor der Behandlung noch zur genetischen Beratung, da eine Erbkrankheit innerhalb der Familie meines Mannes bekannt war, das Gespräch war sehr aufschlussreich insgesamt, da wurde auch der Tipp gegeben, z.B. mit niedrig dosiertem Cortison und ASS bei Bedarf zu unterstützen. Genetisch war erst mal nichts weiter auffällig. Da hormonell eigentlich alles gut eingestellt war bei mir, gab es aus meiner Sicht keinen Anlass für eine Stimulation. Ich kenne Paare, wo die Stimulation erhebliche Folgewirkungen hatte. Aber wir mussten uns mit dem Weg wie wir ihn wollten dennoch durchsetzen.
        Es hieß, nur künstliche Befruchtung hilft uns. Wir haben eine Klinik gesucht für IVF/Icsi im Naturzyklus. Man überwacht den Zyklus mit Ultraschall und Blutentnahnen, wenn der Follikel reif ist, wird ein Punktionstermin gemacht, der Eisprung ausgelöst und man wird punktiert. Keine Medikamente im Grunde, außer der Auslösespritze und Progesteron ab dem Tag vor Punktion, bei Bedarf Diclofenac was manchmal den vorzeitigen Eisprung stoppen kann. Die Zyklen waren unterschiedlich gut, der Eisprung zwar nie am gleichen Tag, aber das war kein Problem. Wir waren auch Studienteilnehmer, wir haben sympthomatische Zyklusbeobachtung angewandt und ich hatte einen Temperatursensor verwendet, damit man Erkenntnisse zum optimalen Punktionstermin gewinnt. Bei einem Transfer gibt es bei Bedarf noch weiter Progesteron, sollte der Versuch misslingen, kann man das natürlich absetzen. Die Kosten gehen nur soweit, wie der Versuch klappt, es war für uns überschaubar, günstiger als das was man im Vollversuch (zu)zahlt.
        Die Eizellqualiät und der Aufbau der Gebärmutterschleimhaut ist im Naturzyklus offenbar bei einigen Frauen besser.
        Einmal hatten wir leider das Pech, dass die Eizelle verworfen werden musste, weil kein Spermium in der Probe war. Mein Mann war damals erkältet, wir vermuten es lag daran, das kein lebendes Spermium gefunden wurde . 2 Monate später sprang die Eizelle vor der Punktion. Da wir wussten, das kann passieren, hatten wir ehrlich gesagt immer Verkehr vor den Punktionen, was man wiederum nicht haben darf im stimulierten Zyklus anders als im Naturzyklus. So entstand dann unser Kind, quasi fast ganz normal wobei ich sage, das gute Timing war dank Klinik und Ovitrelle und Progesteron ja doch auch zustande gekommen. Keiner hätte das je gedacht, immer hieß es, niemals bei dem Spermiogramm. Manche Kliniken machen auch Mini Icsi, da lässt man nur 3 bis 4 Eizellen reifen und verzichtet weitestgehend auf Hormone, ich glaube mit Clomifen Tabletten lässt man da reifen.
        Bei vielen Paaren habe ich gehört, sie haben aufgehört mit der Behandlung, weil sie das eben mit den vielen Medikamenten und Kosten nicht mehr mit sich vereinbaren konnten. Deshalb hatte ich nach anderen Optionen gesucht und sie gefunden. Man muss gezielt fragen oder selbst äußern, was man will und jemanden finden, der sich darauf einlässt, musste ich feststellen. Es gibt da auch ein Buch, IVF fast ohne Hormone, wer sich damit näher befassen möchte. Es gibt auch Studien, die bestätigen, das weniger Hormongaben besser sind und teils die Schwangerschafsrate pro befruchteter Eizelle besser sei, aber auch da kommt es wieder auf das Alter an. Im Ausland machen es viele Länder schon so, das man nicht oder kaum stimuliert, weil man eingesehen hat, das weniger manchmal bessere Erfolge bringt.
        Aber wie Du selbst schreibst, es gibt so viele Ursachen und so viele Therapiewege, man hat mit keiner davon eine 100% Sicherheit, man muss sich auch mit seinem Weg denke ich gut fühlen. Wir haben dann immer gesagt, wenn ich 40 bin, ist definitiv Schluss, länger hätte ich das mental nicht durchgehalten. Entbunden hab ich mit 38 das erste und einzige Kind. Ich war mir ehrlich gesagt sehr sicher, dass ich auch 1 vielleicht 2 mal natürlich schwanger war, aber es war so früh abgegangen, dass der Test negativ war. Aber das ist keine Seltenheit, wie Du selbst weißt. Es gibt viele Faktoren, die eine Schwangerschaft leider stören oder vorzeitig beenden können. Ich war risikoschwanger, aber alles war gutgegangen.

  • Antwort Patrizia Küber Am 21.01.2021 um 13:32 Uhr

    Ich schließe mich dem Vorredner an.

    Sie mein icsi im natürlichen Zyklus…

    Machen viele denen das geld ausgeht sie aber nicht aufgeben wollen.

    Ja, ea wird nicht stimuliert, nur beobachtet ob eine eizelle wächst und ob die hormonlage gut ist.

    Entnahme kann ohne Narkose sein da es ja nur 1 ist die punktiert wird. Tut weh, ist aber gleich vorbei .

    Dann wird diese eizelle berfruchtet und kommt früh zurück in die Gebärmutter.

    Die dinge die sie aufgezählt hat ist das was schief gehen kann.

    Da nicht simuliert wirt ost es nur 1 ez.
    Die abzufangen kann schief gehen.

    Kein spermium kann passieren wenn in dem Moment in der Probe kein dabei war.

    Keine eizelle heißt sie sprang zu früh

    Wenn sich die eizelle nicht befruchten lässt, dann gibts keinen Transfair…

    Ich hab aber von vielen Frauen ohne spezifischen Diagnose gehört das die Gebärmutter in natürlichen Zyklus aufnahmefähiger zu sein scheint…

    Und die Nebenwirkungen der medis sind weg.

    Ein paar Frauen haben mit ass 100 die Durchblutung angeregt um eine Aufnahme zu verbessern.
    Es gibt auch Listen mit Nahrungsergänzungsmittel die helfen sollen…

    Alles in einem eine gute Sache…

    Es ist überschaubar, nicht al zu kosten intensiv und hat insbesondere für die Frau deutlich weniger Nebenwirkungen.

    • Antwort Helge Am 21.01.2021 um 13:41 Uhr

      Hi Patrizia!
      Ah, nun verstehe ich. Es gibt ja unglaublich viele Ursachen und daher auch sehr viele Behandlungen. Nicht alle machen bei jeder/jedem Sinn. Ich behalte das mal im Kopf, auch wenn es für uns nach jetzigem Stand nicht die passende Methode ist. Danke aber für die Aufklärung und viele Grüße!

  • Antwort Seedoflife Am 21.01.2021 um 20:58 Uhr

    Hallo Helge! Was für eine Achterbahnfahrt. Wir waren auch 4 Jahre in Behandlung – fast Pausenlos. 6 IUIs, 3 ICSIs zwei Kryos, eine frühe Fehlgeburt. Am Ende hat bei uns der ERA-Test ergeben, dass mein Implantationsfenster verschoben ist, weshalb sich nur einmal ein Embryo eingenistet hat, aber zum falschen Zeitpunkt und daher vermutlich nicht weiterentwickelt. Nach dem ERA-Test haben wir eine 5-Tage-Blastozyste eingefroren und am 6. Tag eingesetzt. Beim ersten Versuch schwanger geworden und geboren. Mein Onkel (Tierarzt) erzählte mir dann beim Babybesuch, dass man das ja in der Pferdezucht schon viele Jahre bei jeder Stute prüft, weil diese oft verschobene Implantationsfenster haben. Vielleicht ist das noch ein Anhaltspunkt falls ihr es noch mal anpacken wollt. Bei Fragen melde dich gerne.

  • Antwort Sebastian Am 21.02.2023 um 21:22 Uhr

    Lieber Helge,

    das hier war dein letzter Beitrag, oder? Danke, dass du deine Gedanken zu diesem schwierigen Thema online lässt und anderen Menschen hilfst, die das gleiche erleben. Ich wünsche euch für die Zukunft trotz allem alles Gute!

    Viele Grüße
    Sebastian

  • Schreibe einen Kommentar