Neulich waren wir bei Freunden zu Besuch, um einen Blick auf ihren neugeborenen Sohn zu werfen.
Wir frühstückten und quatschten ausgiebig, alles war entspannt. Wir redeten über Urlaub, Camping, Wohnungseinrichtung und kamen – natürlich – auf Kinder und ihre Ernährung zu sprechen. Unsere Freundin hatte ihr Kind knapp 8 Wochen zu früh geboren und zu dem Zeitpunkt noch keinen Milcheinschuss. Daher griff sie zu Säuglingsnahrung.
Mir fiel dabei ein, dass ich von einer Bloggerin gelesen habe, die ihr Kind von einer Leihmutter bekam, letztlich aber selber ihr Baby durch immer wiederholtes Anhalten stillen konnte. Gleiches ist mir auch von den früheren Ammen im Gedächtnis geblieben. Sie haben ihre Ziehkinder immer wieder an die Brust gehalten, bis sie ihnen tatsächlich Milch geben und sie stillen konnten. Ich finde es immer wieder faszinierend. Jedenfalls habe ich davon erzählt und schaute in offene Münder und verblüffte Gesichter. Rieke hat sich noch Tage nach dem Treffen über diese Szene amüsiert.
Zugegeben, vielleicht war es nicht sehr taktvoll darauf hinzuweisen, dass sie ihr Kind mit ein wenig Anstregung doch hätten selber stillen können. Aber die mögliche Kritik war mir gar nicht in den Sinn gekommen. Ich wollte einfach nur von der Geschichte erzählen, da ich es wirklich spannend finde. Zum Glück reagierten beiden auch so überrascht, weil sie sich schlicht gewundert haben, weshalb ein Mann ohne Kinder solche Geschichten auf den Tisch bringt.
Es gibt ein einfaches Bild von Kinderlosen: Entweder sie haben nur Karriere im Sinn oder hassen Kinder ganz allgemein. Die Möglichkeit, dass kinderlose Paare andere Kinder mögen, sich für Kinder interessieren und sich obendrein mit typischen Elternthemen beschäftigen, kommt vielen Menschen nicht in den Sinn. Dabei kann ich niemandem einen Vorwurf machen, denn Kinderlosigkeit ist gesellschaftlich mit den Vorurteilen (Kinderlose sind egoistisch, kinderscheu, karrieregeil) verknüpft.
Doch eigentlich ist es bei der Kinderlosigkeit, wie mit sovielen anderen Dingen auch: Es gibt nicht nur den einen Grund. Ein Schnupfen entsteht nicht nur davon, dass man einmal ohne Mütze den Müll rausgebracht hat. Vielmehr ist vermutlich das Immunsystem geschwächt, die Bakterien an der Haltestange im Bus und die gerade etwas einseitige Ernährung summieren sich, sodass die plötzliche Kälte am Kopf nur der berühmte Tropfen ist, der die Erkältung zum Überlaufen bringt – im verschnupften Sinne.
Bei Kinderlosen ist es ähnlich. Eine Vielzahl von Gründen kann zu Kinderlosigkeit führen. Es kann medizinisch oder psychisch begründet sein, es kann beides sein, es kann am fehlenden Partner liegen oder an dem Druck, unbedingt Geld verdienen zu müssen, weil die drei Minijobs gleichzeitig kaum zum Überleben reichen.
Eine Be- oder Verurteilung nur aufgrund einer „Kinderlosigkeit“ ist selten zutreffend. Mir hat eine weise Dame oft gesagt, ich solle immer davon ausgehen, dass es für eine Sachlage eine Vielzahl von Gründen gibt. Wenn die Antwort einfach ist, ist sie oft nicht richtig. Diese Logik lässt sich auch wunderbar auf die derzeitigen Wahlprogramme unserer demokratischen Parteien anwenden.
Mir bleibt in diesen Momenten immer die Erkenntnis:
Schaue genauer hin, lernen dein gegenüber kennen und halte dich mit schnellen Rückschlüssen zurück. Nun wurde ich von unseren Freunden in dem Gespräch über das Stillen falsch eingeschätzt. Doch in diesem Fall haftet dem nichts böses an, vielmehr freue ich mich, dass ich alle etwas verblüffen konnte. Manchmal habe ich nämlich auch den Eindruck, Eltern freuen sich, wenn sie mit mir ein Gegenüber haben, der interessiert ist über ihre Kinder zu sprechen und sie nicht zwanghaft nach anderen Themen suchen müssen. Schließlich bestimmt dieses Thema ihren Alltag.
6 Kommentare
Wieder mal sehr schön und treffend von dir formuliert. Ich lese immer gerne bei dir rein.
Hi, induzierte Laktation nennt man das, schreckliches Wort für so ein tolles Ereignis.
LG Lotta
Hallo Helge,
Ich habe Eueren Beitrag gerade im ZDF gesehen.
Meine Frau hatte vor 10 Jahren den letzen Abort.
Wir haben uns danach auch entschieden, es nicht weiter zu versuchen und eine Adoption kam für uns auch nicht in Frage. In unserer Familie hat sich jemand zur Adoption entschlossen und das ist kein Kinderspiel!!!
Worauf ich hinaus will ist, dass wir vor einigen Tagen ein Familienfest hatten. Mit einigen Kindern und älteren Familenmitgliedern.
Und da kam er dann! Der Moment der Wehmut, kein Kind zu haben. Das geht nicht weg.
Am Ende des Ganzen haben wir aber immer offen darüber gesprochen und unsere Erfahrungen geteilt, sodass wir zumindest bei 2 Kindern passive geholfen haben. Das ist doch auch schon etwas.
Kopf hoch und immer Flagge zeigen. Je offener, desto weniger Sprüche.
Moin Lars, vielen Dank für deine Nachricht. Genau so, es geht nicht weg. Der Blick auf die schönen Seiten ist uns aber mehr als nur Trost, lässt uns glücklich sein. Es tut aber immer gut zu hören, dass wir nicht allein sind. Erhobenen Hauptes wünsche ich dir ein schönes Wochenende, Helge (gerade mit Freunden, Kindern und Sonnenuntergang am Strand)
Adoption kann durchaus ein „Kinderspiel“ sein, zumindest genauso viel oder wenig wie bei einem leiblichen Kind.
Meine Schwiegereltern hatten jedenfalls mit meinem Mann und seiner Schwester (ebenfalls adoptiert) genauso viel und wenig Schwierigkeiten wie mit ihrem leiblichen Sohn und mein Mann kann sich auch nicht darüber beklagen, von seinen Eltern adoptiert worden zu sein. Von irgendwem hätte er ohnehin adoptiert werden müssen, sonst wäre er in Heimen aufgewachsen. Und ich bin mir sicher, dass es viele Kinder gibt, die in genau so einer Situation sind.
Mit dem eigenen Kind kann es genauso schwierig werden, genauso gibt es genügend Kinder, die sich andere Eltern wünschen (ich z.B. wäre sehr froh gewesen, adoptiert worden zu sein). Adoption zu kritisieren ohne dabei zu erwähnen, dass leibliche Elternschaft genauso wenig automatisch ein Kinderspiel ist, finde ich nicht so in Ordnung.
Ich höre gerade den Radiobeitrag und finde es etwas schade, mit welcher Begründung Adoption abgelehnt wird, weil ich eben selbst durch meinen Mann nur gute Erfahrungen damit habe. Und, ganz ehrlich, das Problem ist nicht, dass Paare genauer angeschaut werden, bevor sie ein Kind adoptieren dürfen, sondern dass „natürlich“ werdende Eltern überhaupt nicht (oder nur sehr unzureichend) kontrolliert und oft allein gelassen werden, worunter dann vor allem die Kinder leiden, wenn die Lebensumstände alles andere als kinderfreundlich sind.
Tut mir leid, ich hoffe, ich bin nicht zu angreifend oder kritisierend, mich machen nur solche Pauschalaussagen etwas ärgerlich, weshalb ich kommentieren musste. Mit Adoption kann man genauso viel „Glück“ oder „Pech“ haben wie mit einer natürlichen Geburt. Ich behaupte mal böse, dass niemand gern ein Kind mit Mehrfachbehinderung auf die Welt bringen möchte oder eins, das irgendwann mal aufgrund irgendwelcher blöden Umstände drogenabhängig wird, aber wir haben es nicht alles in der Hand. Das kann adoptieren Kindern genauso passieren wir den eigenen. Schmerzliche Erfahrungen kann es in beiden Fällen geben.
Abgesehen davon ist es natürlich eine freie Entscheidung für jeden, die ich auch wirklich nicht kritisiere, weil ich auch absolut verstehe, dass man ein Kind aus seinem eigenen Körper will (will ich ja auch). Ich finde es, wie gesagt, nur schade, wie negativ das teilweise noch gesehen wird. Das Beispiel meines Mannes zeigt, dass auch alles gut gehen und jeder Beteiligte glücklich sein kann.
Ich hoffe, es war in Ordnung, dass ich so offen gesprochen habe. Ich wünsche natürlich jedem, dass sein Wunsch sich erfüllt und kann es auch nachvollziehen. Ich weiß ja selber nicht, ob es bei mir mal so klappen wird und auch nicht, ob ich, sollte es nicht klappen, dann nicht ebenso wäre…
Wir leben in einer erstaunlichen Zeit, in der es für alle kinderlosen Paare möglich wurde, Eltern ihres Kindes zu werden. Vielleicht gibt es in Europa Probleme mit dem gesetzlichen Rahmen, gerade weil es in diesem schwierigen Bereich einen Mangel an professionellen Ärzten gibt. Genetik und Fortpflanzung sind keine Witze. Ich hatte das Glück, eine Klinik in der Ukraine zu finden, wo ich die Dienste der Leihmutterschaft in Anspruch nehmen konnte. Es handelt sich um die Klinik von Professor … [durch Helge gestrichen; Ich möchte hier keine ungeprüfte Empfehlung veröffentlichen, bei Interesse müsst ihr euch direkt an Nina wenden], sie wird auch … [gestrichen] genannt. Dank professioneller Ärzte wurde ich die Mutter eines wunderschönen Jungen. Es gab keine Probleme, die Ukraine und die Dokumente zu verlassen. So kann ich allen Zweiflern sagen: Haben Sie keine Angst, Sie können bis ans Ende der Welt gehen, um Ihr Kind zu holen, und die Ukraine ist nicht das Ende der Welt.